[...] von dem Wunsch geleitet, [...] die zwischen ihnen bestehenden Bande der Freundschaft zu festigen [...]

Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der italienischen Republik über die Anwerbung und Vermittlung von italienischen Arbeitskräften nach der Bundesrepublik Deutschland

Die REGIERUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND und die REGIERUNG DER ITALIENISCHEN REPUBLIK, von dem Wunsch geleitet, die Beziehungen zwischen ihren Völkern im Geiste europäischer Solidarität zu beiderseitigem Nutzen zu vertiefen und enger zu gestalten sowie die zwischen ihnen bestehenden Bande der Freundschaft zu festigen, in dem Bestreben, einen hohen Beschäftigungsgrad der Arbeitskräfte zu erreichen und die Produktionsmöglichkeiten voll auszunutzen, in der Überzeugung, dass diese Bemühungen den gemeinsamen Interessen ihrer Völker dienen und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt fördern, haben die folgende Vereinbarung über die Anwerbung und Vermittlung von italienischen Arbeitskräften nach der Bundesrepublik Deutschland geschlossen:
Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen Artikel 1
(1) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland (nachstehend Bundesregierung genannt) teilt, wenn sie einen Mangel an Arbeitskräften feststellt, den sie durch Hereinnahme von Arbeitern italienischer Staatsangehörigkeit beheben will, der Italienischen Regierung mit, in welchen Berufen oder Berufsgruppen und in welchem annähernden Umfange Bedarf an Arbeitskräften besteht.
(2) Die Italienische Regierung teilt der Bundesregierung mit, ob sie grundsätzlich die Möglichkeit sieht, diesen Bedarf zu decken.
(3) Auf Grund dieser Mitteilungen vereinbaren die beiden Regierungen, in welchem Umfange, in welchen Berufen oder Berufsgruppen und zu welcher Zeit die Anwerbung und Vermittlung von Arbeitern italienischer Staatsangehörigkeit nach der Bundesrepublik durchgeführt werden soll.


Artikel 2
(1) Die Durchführung der Anwerbung und Vermittlung der italienischen Arbeiter nach der Bundesrepublik obliegt auf deutscher Seite der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (nachstehend Bundesanstalt genannt) und auf italienischer Seite dem Ministero del Lavoro e della Previdenza Sociale (nachstehend Ministero del Lavoro genannt).
(2) Die beiden Behörden arbeiten zu diesem Zweck zusammen; sie werden bemüht sein, das in dieser Vereinbarung geregelte Anwerbe- und Vermittlungsverfahren zu beschleunigen und – soweit es zweckmäßig und im Rahmen der Bestimmungen dieser Vereinbarung möglich erscheint – zu vereinfachen.


Artikel 3
(1) Die Bundesanstalt entsendet jeweils für die mit der Anwerbung und der Vermittlung der italienischen Arbeiter verbundenen Aufgaben eine Kommission nach Italien (nachstehend deutsche Kommission genannt), die ihren Tätigkeitsort und ihre Tätigkeitsdauer im Einvernehmen mit dem Ministero del Lavoro festlegt.
(2) Das Ministero del Lavoro stellt der deutschen Kommission die erforderlichen, mit den üblichen Büromöbeln eingerichteten Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Die Provinzialarbeitsämter unterstützen die deutsche Kommission bei der Durchführung der Aufgaben in geeigneter Weise.
(3) Die Italienische Regierung kann zu der Bundesanstalt jeweils eine eigene Kommission entsenden, falls dies von beiden Seiten als zweckmäßig erachtet wird.


Abschnitt II Anwerbung und Vermittlung

Artikel 4
(1) Die deutsche Kommission gibt im Rahmen der nach Artikel 1 Absatz (3) getroffenen Vereinbarung dem Ministero del Lavoro die Stellenangebote deutscher Arbeitgeber bekannt.
(2) Die Stellenangebote enthalten Angaben über Beruf, Qualifikation und etwaige andere Wünsche des Arbeitgebers bezüglich der Arbeiter, über die Art der Beschäftigung und ihre voraussichtliche Dauer, über die Besonderheiten der vorgesehenen Arbeit, über die maßgebenden Lohn- und Arbeitsbedingungen, über die Möglichkeiten der Unterkunft und der Verpflegung sowie etwaige sonstige für den Arbeiter wichtige Angaben.

Artikel 5
(1) Das Ministero del Lavoro trifft die notwendigen Maßnahmen für die Bekanntgabe der Stellenangebote; es sammelt die jeweiligen Gesuche der Bewerber und sorgt für die berufliche und gesundheitliche Vorauslese.
(2) Das Ministero del Lavoro übernimmt die Vorstellung der Bewerber bei der deutschen Kommission. Bewerber, für die im Strafregister andere als geringfügige Strafen eingetragen sind, und Bewerber, die bei den Polizeibehörden wiederholt wegen asozialen Verhaltens in Erscheinung getreten sind, werden nicht vorgestellt.
(3) Das Ministero del Lavoro stellt eine Bescheinigung über das Ergebnis der beruflichen Prüfung und eine weitere über die ärztliche Untersuchung aus entsprechend den zweisprachigen Mustern in Anlage 1 und 2. Artikel 6 Die Italienischen Bewerber haben der deutschen Kommission bei der Vorstellung folgende Dokumente vorzulegen: die in Artikel 5 genannten beiden Bescheinigungen über das Ergebnis der Prüfung ihrer beruflichen und gesundheitlichen Eignung; einen mit Lichtbild versehenen Personalausweis; ein vom Bürgermeister ausgestelltes Führungszeugnis; eine amtliche Bescheinigung ihres Familienstandes.

 

Artikel 7
(1) Die deutsche Kommission stellt ihrerseits fest, ob die in dieser Vereinbarung festgestellten Voraussetzungen für die Beschäftigung der italienischen Bewerber, insbesondere ihre berufliche und gesundheitliche Eignung für die zu besetzenden Arbeitsplätze, gegeben sind.
(2) Art und Umfang der gesundheitlichen Prüfung ergibt sich aus Anlage 3.


Artikel 8
(1) Die deutschen Arbeitgeber, die über die Einstellung der von der deutschen Kommission vorgeschlagenen Bewerber entscheiden, können ihre Entscheidung auch an dem Ort treffen, an dem die deutsche Kommission ihre Tätigkeit ausübt.
(2) Die Entscheidung des Arbeitgebers wird von der deutschen Kommission unverzüglich dem Ministero del Lavoro mitgeteilt. Ist die Entscheidung ablehnend, so wird die deutsche Kommission darum bemüht sein, den Bewerber für ein anderes Stellenangebot, für das er sich eignet, vorzuschlagen. Die deutsche Kommission wird das Ministero del Lavoro hiervon in Kenntnis setzen. Die Bewerber werden in allen Fällen durch das Ministero del Lavoro über die Entscheidung unterrichtet.


Artikel 9
(1) Die deutsche Kommission händigt den italienischen Arbeitern vor der Abreise einen von dem Arbeitgeber oder einem bevollmächtigten Vertreter unterschriebenen zweisprachigen Arbeitsvertrag entsprechend dem Muster in Anlage 4 aus. Der Arbeitsvertrag ist von dem Arbeiter zu unterschreiben und von der deutschen Kommission mit einem Durchgangsvermerk zu versehen.
(2) Die italienischen Behörden tragen dafür Sorge, dass der Arbeiter einen nationalen Pass erhält und sich möglichst bald zum Abreiseort begibt. Ist ein bestimmter Einstellungstermin vorgesehen, so soll der Arbeiter am Abreiseort zu einem Zeitpunkt eintreffen, der unter Berücksichtigung seines dortigen Aufenthalts und der Reisedauer einen rechtzeitigen Antritt der Beschäftigung gewährleistet.
(3) Die deutsche Kommission sorgt dafür, dass die Reisepässe der Arbeiter kostenlos mit dem deutschen Einreise-Sichtvermerk versehen werden, wenn die Ausländerpolizeibehörde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugesichert hat.
(4) Ferner händigt die deutsche Kommission den Arbeitern eine Arbeitserlaubnis aus, die zugleich als Beschäftigungsgenehmigung für den Arbeitgeber gilt. Diese Erlaubnis für den ersten Arbeitsplatz ist kostenlos für den Arbeiter und den Arbeitgeber; sie gilt für die Dauer des Arbeitsvertrages, längstens ein Jahr.
(5) Nach Ablauf der Arbeitserlaubnis oder im Falle eines Wechsels des Arbeitgebers muss der Arbeiter eine neue Arbeitserlaubnis beantragen, die gebührenpflichtig ist. Seine weitere Beschäftigung in der Bundesrepublik richtet sich nach den geltenden Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer.


Artikel 10
(1) Die deutsche Kommission organisiert mit Unterstützung des Ministero del Lavoro den Transport der Arbeiter zu den für die Arbeitsorte zuständigen deutschen Arbeitsämtern; diese sorgen für die Weiterleitung der Arbeiter zu den jeweiligen Arbeitgebern. Wenn es zweckmäßig erscheint, können die Arbeiter unmittelbar vom italienischen Abreiseort zu den Arbeitgebern geleitet werden.
(2) Die Arbeiter erhalten eine nach der Reisedauer bemessene Reiseverpflegung und einen Betrag für kleine Ausgaben. Statt der Reiseverpflegung kann ein entsprechender Barbetrag gewährt werden. Artikel 11 Das Ministero del Lavoro unterrichtet die italienischen Arbeiter, dass sie sich unverzüglich nach ihrer Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik bei der örtlichen Meldebehörde anzumelden und spätestens innerhalb von 3 Tagen, jedoch möglichst vor der Arbeitsaufnahme, bei der Ausländerpolizeibehörde die Aufenthaltserlaubnis zu beantragen haben.
[...]
Artikel 13
Das in dieser Vereinbarung festgelegte Verfahren für die Anwerbung und Vermittlung findet auch dann Anwendung, wenn in den Stellenangeboten (Artikel 4 Absatz (1)) deutsche Arbeitgeber italienische Arbeiter auf Grund persönlicher Beziehungen namentlich anfordern. Für den Nachweis der beruflichen Eignung genügt in diesem Falle die Vorlage der Bescheinigung über die berufliche Vorauslese gemäß Artikel 5 dieser Vereinbarung bei der deutschen Kommission.

 

Abschnitt IV Betreuung, Lohntransfer und Familiennachführung


Artikel 14
(1) Die Dienststellen der Bundesanstalt werden den italienischen Arbeitern, besonders in der ersten Zeit der Eingewöhnung, durch Erteilung von Auskünften allgemeiner Art behilflich sein.
(2) Die zuständigen Behörden der beiden Länder werden wohlwollend prüfen, inwieweit Assistenten der italienischen sozialen und kirchlichen Organisationen in Zusammenarbeit mit Vertretern entsprechender deutscher Organisationen die Eingewöhnung der italienischen Arbeiter in die neuen Lebensverhältnisse fördern können. Artikel 15 Die italienischen Arbeiter können nach Maßgabe er jeweils geltenden deutschen devisenrechtlichen Bestimmungen ihre Arbeitsentgelte in voller Höhe des Arbeitsverdienstes transferieren.


Artikel 16
(1) Italienische Arbeiter, die ihre Familienangehörigen nachkommen lassen wollen, können, wenn sie eine behördliche Bescheinigung darüber beibringen, daß für die Familienangehörigen ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, einen Antrag auf Zusicherung der Aufenthaltserlaubnis für ihre Familienangehörigen bei den Ausländerpolizeibehöreden stellen. Diese werden die Anträge wohlwollend prüfen und sobald wie möglich darüber entscheiden. [...]
(3) Die deutsche Kommission wird dem Ministero del Lavoro die Namen der Familienangehörigen mitteilen, denen die Ausländerpolizeibehörden die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugesichert hat. [...]


Geschehen zu Rom am 20. Dezember 1955 in deutscher und italienischer Sprache in je zwei Ausfertigungen, wobei der Wortlaut in beiden Sprachen verbindlich ist.


Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ANTON STORCH Bundesminister für Arbeit
Für die Regierung der Italienischen Republik GAETANO MARTINO Minister für auswärtige Angelegenheiten
CLEMENS V. BRENTANO Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Rom

 

Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (ANBA), Nr. 2, 4. Jahrgang, 25.2.1956