[...] unsere Arbeiter-Gäste aus Italien [...]
Stippvisite bei den auf „Constantin“ beschäftigten italienischen Arbeitern
Sie helfen den Sieg erringen!

Wie sichs am Gysenberg verändert hat! Kommt man da zum Försterhaus und sieht in der strahlenden Sonne im lebhaften Gespräch an den Tischen eine ganze Abteilung braungebrannter, tiefdunkler Männer sitzen. Nanu sagt man sich, wer leistet sich denn da am frühen Nachmittag schon die blonden Hellen? So, da haben wirs, es sind unsere Arbeiter-Gäste aus Italien, die auf Constantin ihre Frühschicht hinter sich gebracht haben und nun den Kohlenstaub hinunterspülen.

Die Achse Berlin-Rom hat in der Vergangenheit unzählige Beweise dafür geliefert, dass ihre Festigkeit auf starken Fundamenten ruht. Zu den zahlreichen Maßnahmen, die beide Völker einander näher bringen wollen, gehört nicht zuletzt der Austausch von Arbeitskräften. Gerade die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden befreundeten Staaten hat bereits eine Reihe großer und schöner Erfolge gezeitigt. Heute spielt die Kohle einen wesentlichen Faktor in dem geschichtlichen Entscheidungskampf unserer Tage. Wir hörten noch vor kurzem, dass Mussolini vor dem großen faschistischen Rat eine Maßnahme ankündigte, die in ihrer letzten Konsequenz offenbarte, wie reibungslos die Zusammenarbeit ist und wie gut die Kohlenversorgung Italiens durch Deutschland funktioniert. Unser Bergbau arbeitet mit Energie und Fleiß, um die vielen Absatzmärkte zu befriedigen. Was früher eine Utopie schien, ist längst eingetreten: Es fehlen uns Kräfte im Bergbau. So ist es auch zu verstehen, dass italienische Landsleute nach hier und in die Nachbarstädte gekommen sind und fleißig mit an der Erfüllung der gestellten Aufgaben helfen.

Aber nun einmal der Versuch, mit den hier im herrlichen Gysenberg Sitzenden ins Gespräch zu kommen. Das scheint uns ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, und wir müssen auch daran zweifeln, dass uns vielleicht hier und dort französische Kenntnisse weiterbringen könnten bei diesem Temprament unserer Gäste, die, so will uns scheinen, keine gestaute Beweglichkeit ihrer Sprache kennen. Aber ihre lebhafte und lebendige Empfindungsfähigkeit mag sich in Gesten noch gültiger und damit für uns verständlicher aussprechen als in Worten selbst. Also an den Tisch. Und siehe da, der „Dolmetscher“ fehlt nicht. Wir waren erstaunt zu hören, dass es sich bei dem der deutschen Sprache mächtigen Mannne um einen „Landsmann“ aus Italien handelte, der im Ruhrgebiet geboren wurde und der Herne, Börnig, Recklinghausen und Huckarde genau kannte. Er war damals schon mit seinen Eltern in Deutschland, als bei uns der Bau des Rhein-Herne-Kanals und die Errichtung zahlreicher Eisenbahnstrecken viele ausländische Kräfte anzog. Wenn erst das erste Geld über ist, meinte der Italiener, dann wird ins benachbarte Börnig gefahren, um dort nach vielen Jahren Erinnerungen von früher aufzufrischen.

Rund 120 Mann wohnen droben im Gysenberg auf dem früheren Voßchen Hof und führen dort ein Leben, wie es jeder Herner Junggeselle auch lebt. Das Essen wird ihnen von Beauftragten der Zeche bereitet, und es ist selbstverständlich, dass hier ein, wenn man einmal so sagen darf, „südlicher Fahrplan“ alle recht wohl und munter hält. Die verschiedensten Berufe begegnen einem, sie alle, die meist in den 40er Jahren stehen, schaffen jetzt auf Constantin, treu und redlich, wie uns ein Steiger bestätigte, tun sie ihre Pflicht, die ihnen nicht immer gewohnte Arbeit war und bei einigen eine gewisse „Anlaufzeit“ erforderlich sein lässt. Einige sind bereits stolz darauf, dass sie den Angehörigen in der Heimat das erste Geld überweisen konnten.
Im Ledigenheim der Schachtanlage „Friedrich der Große“ sind ebenfalls italienische Arbeiter untergebracht. Was auch sie übereinstimmend zum Ausdruck bringen, ist die gastliche Aufnahme bei uns, und nicht zuletzt die vorbildliche Betreuung durch die DAF. Alle sind auch mit dem gezahlten Lohn zufrieden, denn schon bei einigem Fleiß verdienen sie soviel, dass sie allerlei sparen bzw. nach Hause schicken können.
Bliebe noch zu erwähnen, dass die in Dortmund beschäftigten Arbeiter in diesen Tagen hohen Besuch hatten. Auf Einladung der DAF. stattete der Sozialbeauftragte Italiens für die Lager italienischer Arbeiter in Westdeutschland, Alfredo Beccarini, in Begleitung des Gaufachabteilungsleiters Bergbau, Tümmerman, dem Dortmunder Lager, dass die auf der Schachtanlage „Kaiserstuhl“ beschäftigten Arbeiter bewohnen, einen Besuch ab. Kavaliere Beccarini rief seine Landsleute bei einem Lagerappell auf, sich immer Italiens würdig zu erweisen und vorbildliche Kameradschaft und Ordnung im Lager walten zu lassen.

 

Stadtarchiv Herne