Verona
Der Weg nach Deutschland führte für die angeworbenen Italiener über Verona. Dort saß seit Juni 1956 die Deutsche Kommission, die die Anwerbung und Vermittlung der Italiener durchführte.
Vertreter der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gaben die Vermittlungsaufträge an die italienischen Arbeitsämter weiter, führten eine berufliche und medizinische Vorauslese unter den italienischen Bewerbern durch, verteilten die Arbeitsstellen und stellten die Arbeitsverträge, die Legitimationskarten mit Einreise- und Arbeitserlaubnis sowie die Zugfahrkarten für die Fahrt nach Deutschland aus.
Als die Deutsche Kommission im Juni 1956 ihren Sitz von Mailand, wo sie zunächst untergebracht war, nach Verona verlegte, beschrieb die Veroneser Tageszeitung „L’Arena di Verona“ ausführlich die Einrichtung der Vermittlungsstelle:

„Seit dem 4. Juni dieser Jahres ist im Borgo Roma das „Zentrum für Auswanderer nach Deutschland“ in Betrieb [...]
Hier wurden einige Hallen für die Aufnahme der Auswanderer hergerichtet. In einigen Räumen wurden die Büroräume für die Deutsche Kommission, die aus etwa zwanzig Personen besteht, eingerichtet, wie auch die Büros für die Beamten des Arbeitsamtes Verona; andere Räume wurden hergerichtet um die Mensa, das Krankenzimmer, den Erfrischungsraum, die Kofferaufbewahrung und alle die Einrichtungen aufzunehmen, die nötig sind, um die Arbeitskräfte in Richtung Brenner auf den Weg zu bringen. Die Organisation dieser ganzen Einrichtung wurde von Herrn Dr. Bruno Vivenza, dem Direktor des Provinzialarbeitsamtes Verona, und Herrn Enzo Pontedera, dem stellvertretenden Direktor dieser Dienststelle, übernommen. [...]
Im Durchschnitt gehen 150 Arbeiter am Tage, die aus allen Gegenden Italiens kommen, durch das Zentrum von Verona. Aus dem Süden kommen vor allen Dingen zahlreiche Landarbeiter. [...]
Die Arbeiter [...] werden am Bahnhof Porta Nuova abgeholt und durch einen besonderen Autobusdienst zum Centro in Borgo Roma geleitet. Hier werden sie nach den ärztlichen Untersuchungen und den Überprüfungen mit den notwendigen Unterlagen und Verträgen ausgestattet und zum Bahnhof zurückbegleitet, um mit dem Schnellzug Richtung Brenner, der kurz vor 23 Uhr abfährt, abzureisen. [...]“

Die Auswanderung nach Deutschland in Verona konzentriert, Übersetzung eines Artikels aus der Veroneser Tageszeitung „L’Arena di Verona“, 14. Juni 1956

Bundesarchiv Koblenz, Akte B119 Nr. 3052, Bd. 2

Die Italiener, die von ihrem örtlichen Arbeitsamt nach Deutschland vermittelt wurden, reisten bereits mit allem Gepäck und sämtlichen gültigen Papieren an, da sie direkt von der Deutschen Kommission aus nach Deutschland fuhren.
Da der größte Teil der angeworbenen Italiener aus dem Süden kam, richtete die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung 1960 eine weitere Stelle in Neapel ein, die allerdings 1967 bereits wieder aufgelöst wurde.
Seit Anfang der 1960er Jahre kamen viele Italiener ohne Arbeitsvertrag nach Deutschland. Sie folgten ihren Verwandten oder Freunden, die bereits in Deutschland lebten und die ihnen häufig eine Arbeitsstelle verschafften. Die Italiener konnten die Anwerbekommission umgehen, weil ihnen das Freizügigkeitsgesetz der EWG seit 1961 die freie Wohnortwahl innerhalb der Gemeinschaft erlaubte. Die Kommissionen verloren zunehmend an Bedeutung. Dennoch wurde die Deutsche Kommission in Verona erst 1993 aufgelöst.

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