[...] Zwei Bergleute verschüttet - 36 Stunden wie im Grab gefangen - Retter hatten kaum noch Hoffnung [...]


Rettung wie durch ein Wunder Aber neues Unglück am Niederrhein
Essen, 16. Juni. Eig. Ber. – Die Retter hatten die Hoffnung beinahe schon aufgegeben. Dann hörten sie plötzlich Klopfzeichen. Die Klopfzeichen zweier Kumpel, die seit vielen Stunden in einem Stollen der Essener Zeche „Katharina“ verschüttet waren. Endlich – nach 36 Stunden – konnten die Männer gerettet werden. – Während man in Essen Grund zur Freude hat, sorgt man sich in Tönisberg (Kreis Moers) m fünf Bergleute, die im Schacht 4 der Niederrheinischen Bergwerks-AG verschüttet wurden. (Berichte Seiten 2/3).

2 Nächte
Retter hatten schon Hoffnung aufgegeben
Essen 16. Juni - Nach einer Rettungsaktion in 550 Meter Tiefe – so verbissen und dramatisch, wie das Kohlerevier sie selten erlebte – wurden gestern auf der Essener Schachtanlage „Katharina“ der italienische Bergmann Giacomo Meo (28) und sein deutscher Kollege Horst Becker (23) unversehrt geborgen. Dabei hatte der Rettungstrupp nur noch zwei Tote gesucht – so hoffnungslos schien selbst Fachleuten die Aussicht, die beiden lebend ans Tageslicht zu bringen.
Meo und Becker hatten in einem Stück des Strebs Zuflucht gesucht, der wie durch ein Wunder von dem 30 Meter langen Strebbruch verschont geblieben war. Um 0.20 Uhr in der Spätschicht am Dienstag war plötzlich … Gestein mit ohrenbetäubendem Krachen in den Streb gebrochen. Als einzige arbeiteten Meo und Becker am Kopf des Strebs, der an diesem Punkt zwischen der 4. und 5. Sohle eine Steigung von 50% aufweist. Schon zehn Minuten später arbeitet sich bereits ein eilig zusammengestellter Rettungstrupp mit Presslufthämmern zu der Stelle vor, wo die Vermissten vermutet werden. Die Kumpels schuften verbissen, aber insgeheim rechnet keiner mehr von ihnen ernstlich damit, einen der Vermissten noch lebend zu bergen. Meo und Becker sitzen ohne einen Kratzer in dem letzten, nur 3 Meter langen und 1,40 Meter hohen Stück des Unglückstrebs. Ausgerechnet an der Stelle, wo die beiden gearbeitet hatten, ist nichts passiert.
Verbissen kämpften sich die Retter Stunde um Stunde weiter durch das Gestein. Sie haben einen völlig neuen Stollen bauen müssen, um sich selbst bei der Rettung nicht durch den weiter nachsackenden Berg zu gefährden. In diesem Augenblick halten die Kumpels zum ersten Male wie elektrisiert inne: Sie hören Klopfzeichen! Jetzt protestieren die Retter, weil sie abgelöst werden sollen. Sie wollen ihre Kameraden nicht im Stich lassen. Nur widerwillig machen sie den Männern der nächsten Schicht Platz. Da kommt um 6 Uhr morgens die erste Sprechverbindung zustande. Namen werden gerufen. Es sind nur noch wenige Meter bis zu Meo und Becker. Für einen Moment schweigt der Hammer im Rettungsstollen, in dem ein Mann nur vorwärtsrobben kann. Die Kumpels schreien aus Leibskräften. Meo und Becker haben geantwortet. Ihr schwaches ja treibt die Retter zu größter Anstrengung an. Vier Stunden später um 10 Uhr, besteht die erste direkte Sprechverbindung. Die Verschütteten haben einen unverwüstlichen Humor. Nach 36 Stunden Gefangenschaft zwischen Leben und Tod rufen sie: „Wir haben Hunger. Holt uns schnell ein halbes Hähnchen. „

Die Familie des geretteten Italiener
„Wie ein Wunder!“
„Ich kann es noch gar nicht glauben, dass mein Giacomo ganz gesund und unverletzt zurückgekommen ist“, sag Elisa Meo (29), die Ehefrau des geretteten italienischen Bergmanns, während sie sich immer wieder die Tränen aus ihren Augen wischen musste.
„Stellen Sie sich vor“, sagte sie mit zitternder Stimme dem MITTAG, „gestern sagte man mir, dass er verschüttet ist, und jetzt weiß ich , dass er lebt und ihm nichts geschehen ist. Ein Wunder! Wirklich, das kann nur ein Wunder sein!“
Während der ganzen Nacht hockte die Frau des italienischen Bergmanns auf den Knien und betete für die Rettung. Sie wusste kaum noch, wie ein so hartes Schicksal zu ertragen war: Erst am 28. Mai war ihr dreijähriger Sohn Albernido an einer Lungenentzündung gestorben. Heute wird die ganze Familie an Giacomos Bett mit Chianti und fröhlichen Liedern seine Rettung feiern.

Fünf Kumpel verschüttet
Krefeld, 16. Juni. In den Jubel über die Rettung der beiden Bergleute in Essen mischte sich gestern Nachmittag die Sorge um fünf andere Kumpel, die auf dem Schacht IV der Niederrheinischen Bergwerke AG in Tönisberg bei Krefeld verschüttet wurden. Um 16.30 Uhr brach dort der Streb zusammen. Pausenlos versuchen Rettungsmannschaften, sich an die Verschütteten heranzuarbeiten. Doch bis Mitternacht waren alle Rettungsversuche vergeblich. Die Namen der Verschütteten wurden bis jetzt nicht bekanntgegeben.