[...] Seit einigen Wochen sind italienische Arbeitskameraden bei uns tätig. Zur Zeit handelt es sich um rund 100 Italiener, die im Raume L`Aquila und in Sardinien im Raume Carbonia geworben wurden. Sie fanden im Bergmannsheim 2 am Sandbergweg Unterkunft. Im Laufe dieses Monats werden weitere Transporte erwartet, so dass am 1.Oktober insgesamt etwa zweihundert Italiener auf unserem Verbundbergwerk beschäftigt sein werden.
[...]
Die Werbung in Italien
Die örtlichen Arbeitsämter in Italien machen interessierte Kräfte
auf die Arbeitsmöglichkeiten bei unserer Bergwerksgesellschaft aufmerksam.
Interessenten werden dann einem Beauftragten unserer Gesellschaft vorgestellt,
der sie auf ihre berufliche und charakterliche Eignung hin überprüft
und über die Arbeitsbedingungen aufklärt. Im Anschluß daran
nimmt unser Werksfürsorgearzt die Untersuchung auf Bergbautauglichkeit
vor. Die von ihm tauglich befundenen Kräfte werden durch die italienischen
Arbeitsämter der deutschen Kommission in Verona zugeleitet, wo die
endgültige Anlegeuntersuchung und der Abschluß der Arbeitsverträge
erfolgt. Von Verona aus reisen die italienischen Neubergleute in geschlossenen
Transporten über München zur Bergbausammelstelle Essen-Heisingen,
die sie dann nach Walsum weiterleitet. [...]
Besondere Bestimmungen
Für die Anlegung und Ausbildung italienischer Neubergleute hat die
Bergbehörde besondere Bestimmungen erlassen. Alle Italiener, die der
deutschen Sprache in Wort und Schrift nicht mächtig sind, müssen
zunächst sechs Wochen im Übertagebetrieb beschäftigt werden.
Während dieser Zeit erhalten sie täglich zwei Stunden Sprachunterricht.
Nach bestandener Sprachprüfung werden sie in den Untertagebetrieb verlegt,
wo sie dann wie jeder deutsche Neubergmann ausgebildet werden.
Unsere Gesellschaft beabsichtigt nicht, Saisonarbeiter einzustellen, sondern
hat vorgesehen, die italienischen Arbeitskameraden auch in Walsum ansässig
zu machen. Grundsatz bei der Anwerbung, beim Einsatz, bei der Ausbildung
und Betreuung der Italiener ist, dass sie den deutschen Neubergleuten gleichgestellt
werden.
Nach häuslichen Gewohnheiten verpflegt und betreut
In Bergmannsheim 2 wohnen unsere italienischen Arbeitskameraden. Sie sind
geschlossen untergebracht. Diese Tatsache ermöglicht es, die Männer
aus dem Süden auch entsprechend ihren häuslichen Gewohnheiten
zu verpflegen und zu betreuen. Im Heim steht ein italienischer Landsmann
als Dolmetscher und zur Betreuung zur Verfügung.
Um den Italienern die Eingewöhnung zu erleichtern, ist zeitweilig auch
eine italienische Fürsorgerin der Caritas in Walsum tätig. Jeden
Sonntag wird in der St. Dionysius-Kirche in Walsum ein Gottesdienst in ihrer
Muttersprache gehalten. Auch kulturelle Veranstaltungen werden laufend in
Verbindung mit der italienischen Caritas und dem Konsulat durchgeführt.
Im Betrieb stehen ebenfalls italienische Dolmetscher zur Verfügung.
Die italienischen Arbeitskameraden haben sich auf Walsum sehr gut eingelebt.
Die Abgänge, die zum Teile durch Heimweh und Krankheit bedingt sind,
halten sich in normalen Grenzen.
Aufgabe für die Belegschaft
Für unsere Belegschaft ergibt sich mit der Einstellung der italienischen
Neubergleute die Aufgabe, in ihnen nicht nur Arbeitskräfte zu sehen,
sondern ihnen auch menschlich zu begegnen. Wenn wir uns in ihre Lage versetzen
und bedenken, was es heißt, die Heimat zu verlassen, um in einem fremden
Land das tägliche Brot zu verdienen, dann erwächst für uns
daraus eine große Verpflichtung. Vielen aus unseren Reihen ist es
schließlich nach dem Kriege ähnlich ergangen; auch sie haben
Haus und Hof verlassen und sich bei uns am Niederrhein eine neue Existenz
aufbauen müssen.
Betrachten wir es darum nicht nur als eine Menschen-, sondern auch als eine
Christenpflicht, sich der italienischen Belegschaftsmitglieder mit besonderer
Liebe anzunehmen. Kameradschaft ist immer eine der vornehmsten Tugenden
des Bergmanns gewesen. Auch aus dieser Verpflichtung heraus wollen wir unsere
italienischen Kameraden vorbehaltlos in unsere Gemeinschaft aufnehmen.
Bundesarchiv Koblenz, Akte B 119 Nr. 3054/1