Die faschistische Regierung unter Benito Mussolini bemühte sich Ende der 20er Jahre, die Emigration der Italiener in andere Länder zu begrenzen. Allerdings sah auch Mussolini den Zwang vieler Italiener zur Auswanderung und bemerkte 1924, dass
„[...] wir 40 Millionen sind, die eingeschlossen auf unserer engen und lieblichen Halbinsel [leben], die allzu viele Berge hat und deren Territorium nicht alle ernähren kann. [...]“

Cesare Bermani, Sergio Bologna, Brunello Mantelli: Proletarier der „Achse“, Berlin 1997, Seite 39

Für die Faschisten war es ein Zeichen nationaler Schwäche, wenn ein Land seine Bevölkerung nicht mit Arbeit und Brot versorgen konnte. Es galt die Auswanderung zu stoppen, durch die das Land seine aktivsten Menschen, mit denen sie das Land modernisieren und wirtschaftlich voran bringen wollten, auf Dauer an das Ausland verlor. Ziel der neuen Politik war es, im Rahmen staatlich gesteuerter Maßnahmen selbstbewusste und ausgebildete Arbeiter nur für einen begrenzten Zeitraum ins Ausland zu schicken. Von dort sollten sie reich an neuen Erfahrungen und mit neuem Kapital zurückkehren. Ein eventueller Überschuss an Bevölkerung sollte in den Kolonien angesiedelt werden. Mussolini plante, dass Italien seinen Herrschaftsbereich nach Vorbild des antiken römischen Reiches im Mittelmeerraum und Nordafrika ausdehnen sollte.

 

Arbeiter für den „Achsenpartner“

Am 1. November 1936 proklamierte Mussolini in einer berühmt gewordenen Rede auf dem Domplatz von Mailand die „Achse Berlin-Rom“. Das nationalsozialistische Deutschland unter Adolf Hitler und das faschistische Italien unter seiner Führung sollten in politischen und wirtschaftlichen Fragen eng zusammenarbeiten. Dieser Wunsch wurde im so genannten Stahlpakt befestigt.
In Deutschland hatte Adolf Hitler ein gigantisches Rüstungsprogramm begonnen. Die deutsche Industrie brauchte immer mehr Arbeitskräfte. Angezogen durch hohe Löhne und sichere Stellen in der Industrie wechselten viele Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft in die Städte. In der Folge fehlten den bäuerlichen Betrieben Landarbeiter. Im April 1937 richtete die deutsche Regierung an die italienische Botschaft in Berlin die Bitte, 2000 landwirtschaftliche Arbeitskräfte nach Deutschland zu schicken. Im Juli schlossen die „Achsenpartner“ ein Abkommen über die Anwerbung, Verteilung und den Einsatz von italienischen Saisonarbeitern in der deutschen Landwirtschaft. Auch der Industrie mangelte es bald an Facharbeitern. Entsprechende Abkommen mit Italien über die Entsendung von Arbeitern wurden im Dezember 1937 abgeschlossen.
Die Bergwerke, die wegen der schwierigen Arbeitsbedingungen unter Tage schon immer intensiver um Leute werben mussten, fanden nicht genügend junge Bergleute. Die jungen deutschen Männer mussten in der Wehrmacht ihren Dienst leisten, weil Hitler für seine Eroberungspläne Soldaten ausbilden wollte.
Einzelne Bergwerke hatten schon selbständig versucht, Bergarbeiter aus Italien zu bekommen, als im Laufe des Jahres 1939 verschiedene Treffen zwischen deutschen Bergbauverantwortlichen und staatlichen italienischen Arbeitsorganisationen stattfanden. Man legte fest, wie die Anwerbung von Bergleuten organisiert werden sollte, sprach über Details wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Sozialvergütungen und die Urlaubsheimfahrten.
Ende der 1930er Jahre waren die Bergmänner erstmals Teil eines staatlich organisierten Anwerbeverfahrens. Sie wurden noch in Italien von Knappschaftsärzten auf Tauglichkeit untersucht. Dann fuhren die Angeworbenen in Sammeltransporten zu ihren Arbeitsstellen nach Deutschland, ständig betreut von staatlichen faschistischen Arbeiterorganisationen.

Dietrich Hackenberg, Dortmund 2005

Literatur zum Thema
- Cesare Bermani, Sergio Bologna, Brunello Mantelli: Proletarier der „Achse“, Berlin 1997
- Ralf Lang, Italienische „Fremdarbeiter“ im nationalsozialistischen Deutschland 1937-1945, Frankfurt am Main 1996