In der Nacht vom 9. auf den 10 Juli 1943 landeten die Alliierten auf Sizilien. Angesichts der militärisch aussichtslosen Lage erwogen Kreise um den italienischen König Vittorio Emanuele III. einen Separatfrieden mit den Alliierten abzuschließen. Am 26. Juli 1943 ließen sie Mussolini in Arrest nehmen. Der hatte es weder geschafft, den deutschen Bündnispartner von der Weiterführung des Krieges abzubringen, noch wollte er die enge Zusammenarbeit mit Hitler-Deutschland aufkündigen. Die Amtsgeschäfte übernahm der Marschall Badoglio. Dieser schloss in Geheimverhandlungen einen Waffenstillstand mit den Alliierten, der am Nachmittag des 8. September 1943 vom amerikanischen General Eisenhower verkündet wurde.

 

Gefangene der „deutschen Freunde“

Die deutsche Regierung brandmarkte öffentlich den „Verrat“ Italiens, hatte sich aber schon seit Wochen auf eine zu erwartende Kapitulation Italiens eingestellt. Im Mittelmeerraum waren deutsche Truppen stationiert worden, die am 9. September auf das Codewort „Achse“ bzw. „Alarich“ hin die italienischen Truppen in Südfrankreich, Jugoslawien, Albanien, Griechenland und Italien entwaffneten. Die italienischen Soldaten waren von der Badoglio-Regierung nicht auf das Verhalten im Falle eines Waffenstillstandes vorbereitet worden. Überrumpelt von den rasch durchgeführten deutschen Aktionen, leisteten sie bis auf wenige Ausnahmen kaum Gegenwehr.

 

Italiener statt Russen

Die deutsche Kriegswirtschaft war vollkommen abhängig geworden vom Einsatz der ausländischen Zwangsarbeiter. Insbesondere die Bevölkerung Osteuropas und der Sowjetunion, für das NS-Regime ein scheinbar unerschöpfliches Reservoir an Arbeitskräften, war rücksichtslos in der deutschen Industrie und Landwirtschaft eingesetzt worden. Sechs Monate nach der Niederlage von Stalingrad befanden sich die deutschen Truppen an allen Fronten auf dem Rückzug. In der Folge sank auch die Zahl der russischen Kriegsgefangenen, die zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft nach Deutschland geschickt werden konnten.
Zu diesem Zeitpunkt gerieten die italienischen Armeeangehörigen in deutsche Gefangenschaft, insgesamt etwa 800.000 Mann. Ihnen wurde erklärt, sie würden nach Italien gebracht, um dort als Zivilisten entlassen zu werden. Doch in Wahrheit sollten sie der deutschen Kriegsindustrie zugeführt werden. Mit falschen Versprechungen getäuscht, pferchte man sie in Viehwaggons und brachte einen großen Teil ins deutsche Reich, wo sie in den zentralen Kriegsgefangenenlagern gesammelt wurden. Von diesen so genannten Stalags aus wurden die Italiener zum Arbeitseinsatz auf kleinere Lager verteilt, die in der Nähe von Industriebetrieben errichtet worden waren.

 

„Militärinternierte“

Am 12. September 1943 hatten deutsche Fallschirmjäger Mussolini aus der Haft auf dem Gran Sasso (Abruzzen) befreit. Mit deutscher Hilfe bildete er eine faschistische Gegenregierung und rief die "Soziale Republik Italien" aus. Von Salò (am Gardasee) aus versuchte Mussolini, die Herrschaft in Nord- und Mittelitalien wiederzuerlangen. Doch faktisch blieb er abhängig von der militärischen Macht der deutschen Truppen, die Italien besetzt hielten.
Für den Status der italienischen Gefangenen musste Deutschland mit Rücksicht auf die Regierung von Salò eine neue Bezeichnung finden. Kriegsgefangene konnte man sie nicht nennen, weil Hitlerdeutschland die Regierung Mussolinis in Italien anerkannte, damit waren sie also keine Soldaten eines feindlichen Landes. Man wählte den Ausdruck „italienische Militärinternierte“, abgekürzt „IMI“. Ein Begriff, der den Anschein erweckte, die Soldaten besäßen im Vergleich zu Kriegsgefangenen eine bessere Rechtsposition. Die „IMIs“ wurden in Deutschland aber meist schlechter behandelt als andere Gefangene, weil die deutsche Bevölkerung ihnen den vermeintlichen Verrat der Badoglio-Regierung anlastete und an ihnen die Wut und Enttäuschung über ihre eigene Situation vor dem Hintergrund des schlechten Kriegsverlaufs in zahlreichen körperlichen Übergriffen ausließ.

 

Werbung und Zwang

Zur selben Zeit, als in Deutschland die Militärinternierten in die Zwangsarbeit gepresst wurden, erließ Hitler einen Führerbefehl zur „kriegswirtschaftlichen Ausbeutung Oberitaliens“. 1.500.000 Italiener sollten zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gebracht werden. Mit großem propagandistischen Aufwand setzte man zunächst auf freiwillige Anwerbung. Inzwischen hatte sich aber in Italien herumgesprochen, unter welch extremen Bedingungen man in Deutschland arbeiten musste. Es gelang nicht mehr in dem besetzten Land eine größere Zahl Arbeitskräfte anzuwerben. Auch als man versuchte durch Razzien oder die Auskämmung von Betrieben Arbeiter unter Zwang zu deportieren, blieb der Erfolg gering.

Dietrich Hackenberg, Dortmund 2005

Literatur zum Thema:
- Gabriele Hammermann, Zwangsarbeit für den Verbündeten / Die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943 -1945, Tübingen 2002
- Ralf Lang, Italienische „Fremdarbeiter“ im nationalsozialistischen Deutschland 1937-1945, Frankfurt am Main 1996
- Istituto di Storia Contemporanea “Pier Amato Perretta", Como: http://www.schiavidihitler.it/
- Historisches Centrum Hagen, Zwangsarbeit in Rheinland und Westfalen 1939-1945: http://www.historisches-centrum.de/zwangsarbeit/
- Eberhard Thomas, Das Kriegsgefangenenlager / Stalag VI A und Zwangsarbeiter in Hemer: http://www.maerkischer-kreis.de/zwangsarbeit/das_kriegsgefangenenlager.html
- Klaus Tenfelde/Hans-Christoph Seidel (Hg.): Zwangsarbeit im Bergwerk. Der Arbeitseinsatz des Deutschen Reiches und der besetzten Gebiete im Ersten und Zweiten Weltkrieg – Forschungen, Essen 2005
- Thomas Urban, Überleben und Sterben von Zwangsarbeitern im Ruhrbergbau, Münster 2002
- Thomas Weiß / Anja Kuhn (Hg.), Zwangsarbeit in Hattingen, Landschaftsverband Westfalen-Lippe / Westfälisches Industriemuseum, Quellen und Studien, Band 8, Essen 2003