Kaum gehindert durch die Luftabwehr bombardierten 1942
britische und amerikanische Flugzeuge deutsche Städte. Die erste
Stadt im Ruhrgebiet, in der bei diesen Angriffen schwere Schäden
entstanden, war Duisburg. Durch ihre Lage am Rhein war die Stadt aus der
Luft von Bombern leicht auszumachen. Die anderen Ruhrgebietsstädte
wurden vor allem bei der als "Battle of the Ruhr" bezeichneten
Luftoffensive britischer Bomber 1943 getroffen. Diese intensiven Bombardierungen
begannen mit einem Angriff auf Essen in der Nacht vom 5. auf den 6. März. Unter den Opfern der „Flächenbombardierungen“ der Ruhrgebietsstädte befanden sich zahlreiche Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Ihre Lager waren in der Nähe von Industrieanlagen und Verkehrswegen gelegen, die vorrangig Ziele alliierter Angriffe waren. Öffentliche Bunker durften die Zwangsarbeiter nicht betreten. In den Lagern gab es zwar so genannte „Luftschutzdeckungsgräben“, allerdings boten diese zumeist nur mit Holzplanken und Erde abgedeckten Gräben nur Schutz vor umher fliegenden Bombensplittern, schützten aber nicht bei direkten Treffern. Die Militärinternierten betrachteten die intensiven Luftangriffe, die sich gegen Ende des Krieges noch steigerten, mit gemischten Gefühlen. Viele ihrer Kameraden starben oder wurden schwer verletzt. So zum Beispiel im Dezember 1944, als 52 Italiener in Hagen bei einem Bombenangriff ums Leben kamen. Doch machte die alliierte Luftüberlegenheit eines deutlich, eine militärische Niederlage Nazi-Deutschlands – und damit die Befreiung – war nicht mehr fern. In den Bergwerken des Ruhrgebietes versuchte man den Arbeitsbetrieb auf die regelmäßigen Luftangriffe einzustellen: |
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„[…] Der Fliegeralarm tritt in der letzten Zeit fast planmässig
nach der Uhr zwischen 19.00 und 19.45 Uhr ein. Da es sich in jedem Falle
um Vollalarm handelt und auch Fliegerbeschuss kurz nach Eintritt des Alarms,
wenigstens im engeren Industrie-Revier, einsetzt, kann die Nachtschicht
nicht zur Zeche gebracht werden und der Arbeitseinsatz wird dadurch um
eine Stunde, in einzelnen Fällen sogar bis zu 3 Stunden – je nach der
Dauer des Alarms – verzögert. – Um diese Störungen zu vermeiden, wird
den Kontrolloffizieren empfohlen […] zu vereinbaren, dass die Nachtschicht
spätestens bis 18.30 Uhr oder früher einfahren kann und, um die Kgf. nicht
unnötig zu beanspruchen, weiter zu vereinbaren, dass die Kgf. untertage
in der Nähe des Füllortes in einer Kammer oder in der Nähe der Arbeitsstelle
sich bis zum offiziellen Arbeitsbeginn ausruhen können. Diese Regelung
hat den Vorteil, dass die Kgf. wirklich Ruhe haben und dann entsprechend
besser arbeiten können, während sie übertage doch nur im Splittergraben
sitzen müssten.- […]“
Kommandantur Stalag VI A, Rundschreiben Nr.88/43, Hemer, den 30. November 1943 Bergbau-Archiv Bochum 20-242 |
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Während der Angriffe gelang immer wieder Gefangenen die Flucht. Im Chaos der nächtlichen Bombardierungen konnten sie den Wachmannschaften, die sich meist aus kriegsversehrten oder alten Männern zusammensetzten, leicht entkommen. | |
„[…] Betr.: Kriegsgefangene; hier: Schleppdienst bei Fliegeralarm
[…] 2.) Wird der Fliegeralarm ausgelöst, während sich die Kr.Gef. noch
in ihren Unterkünften befinden, so haben sie dort die Luftschutzdeckungsgräben
usw. aufzusuchen und bis zur Beendigung des Fliegeralarms dort zu verbleiben.
Eine Zuführung der Kriegsgefangenen während des Fliegeralarms bei Flakbeschuß,
Bombenabwürfen, Wahrnehmung von Flugzeugen usw. zu den Arbeitsstellen
darf nicht erfolgen. Das entspricht den Weisungen des OKW, wonach das
heranführen von Kr.Gef. aus ungefährdeten Bezirken während des Alarms
unstatthaft ist. Die erhöhte Fluchtgefahr lässt bei dem Mangel an Wachmannschaften
eine Zuführung von Kr.Gef. in der Dunkelheit während des Fliegeralarms
nicht zu […]“
Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr, Rundschreiben Nr.8, Essen, den 28. Januar 1944 Bergbau-Archiv Bochum 20-242 |
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Nach den Angriffen wurden Militärinternierte zum Trümmer räumen und Bergen von Leichen eingesetzt. Auf mehrsprachigen Plakaten und Handzetteln drohte man ihnen mit der Todesstrafe, sollte man sie beim „Plündern“ erwischen. Befreiung Anfang April 1945 schlossen die alliierten Bodentruppen in einer militärischen
Zangenbewegung das Ruhrgebiet ein. In dem so entstandenen „Ruhrkessel“
wurde Stadt für Stadt erobert. Als eine der letzten Städte
fiel am 14. April Dortmund. Am selben Tag wurde auch das Stalag
VI A in Hemer den Amerikanern übergeben. Die Zustände im Lager
waren katastrophal, so gab es kaum noch Lebensmittel für die über
23.000 Gefangenen auf dem Gelände. Unter den Insassen befanden
sich auch 190 Italiener, die letzten der über 12.000 Militärinternierten,
die Ende 1943 im Stalag VI A eingeliefert und inzwischen auf die einzelnen
Arbeitslager bei den Betrieben verteilt worden waren. |
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„[…] Wenn man heute Hemeraner, die die Zeit bewusst miterlebt
haben, auf das Stalag
anspricht, kommen sie nach wenigen Sätzen auf Raub, Plünderungen und Totschlag
nach der Einnahme des Lagers zu sprechen. Es ist psychologisch verständlich.
Aber bedauerlich, dass sich diese Ereignisse weniger Wochen, die den Bewohnern
– im Regelfall – reparablen Schaden einbrachten, tiefer und nachhaltiger
eingeprägt haben als Elend und Sterben von Tausenden von Kriegsgefangenen.
Sicher haben nur die wenigsten einen unmittelbaren Einblick in das Lager
nehmen können. Doch haben sie die Kolonnen der eingelieferten Gefangenen,
die Rücktransporte der Entkräfteten und Kranken aus dem Ruhrgebiet und
die täglichen Leichentransporte zum Duloh gesehen. […] Die Beobachtung,
dass einerseits die Erinnerungen an die Existenz und die Missstände des
Stalags verdrängt worden sind, andererseits die an die Plünderungen der
Russen aber noch nach über 50 Jahren präsent sind, ist tiefenpsychologisch
deutbar. Ulrich Herbert hat diesen Aspekt deutlich herausgestellt: “Dieses
Phänomen (der unnachsichtigen Verurteilung von Plünderungen durch feindliche
Ausländer) taucht in der Haltung der deutschen Bevölkerung gegenüber den
… Plünderungen und Ausschreitungen der nach der Befreiung zu ‚Displaced
Persons’ gewordenen Fremdarbeiter wieder auf. Diese Ausländer verließen
in der Sicht vieler Deutscher dadurch die Rolle des unschuldigen Opfers
und begaben sich auf die gleiche Ebene wie ihre früheren Unterdrücker
– man war also unter sich und hatte sich gegenseitig nichts vorzuwerfen.
[…]“
Hans-Hermann Stopsack „Vom Amt zur Stadt“ Zur Geschichte von Amt und Stadt Hemer von 1900 bis zur Gegenwart, Seiten 386-387; Hemer 2000 |
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Zurück nach Italien |
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Nach Kriegsende planten die Alliierten die noch in Deutschland befindlichen
Italiener in großen Gruppen zusammenzufassen und mit der Bahn und anderen
verfügbaren Transportmitteln zu Sammellagern in Italien zu bringen.
Sie wurden jetzt wie alle anderen ehemaligen Kriegsgefangenen und ausländischen
Arbeiter unter dem Begriff „Displaced Persons“ geführt. Der Abtransport
erwies sich als sehr schwierig, weil viele Verkehrswege und Brücken
in der Endphase des Krieges zerstört worden waren. Auch in Norditalien
war ein großer Teil der Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen worden.
So verzögerte sich die Rückführung, zumal die Militärinternierten, als
ehemalige Verbündete des Feindes, nachrangig behandelt wurden. Während der NS-Zeit hatte eine bedeutende Anzahl Italiener im
Ruhrbergbau gearbeitet. So waren 1941 etwa 14.000 italienische Zivilarbeiter
bei den Zechen des Ruhrgebietes beschäftigt, ein Fünftel der
angeworbenen ausländischen
Bergleute in diesem Jahr. Bis Mitte 1943 verringerte sich die Zahl
der italienischen Zivilarbeiter aufgrund der hohen Abkehr
und in Folge der Rückforderung durch die italienische Regierung
auf nur 800. |
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Dietrich Hackenberg, Dortmund 2005
Literatur zum Thema: |